Samstag, 12. Januar 2013

[Let them eat cake] Reutlinger Mutscheln


12-1-13 019-horz

I apologize in advance: This post will be German only since it is very wordy, was a lot of work and is very hard to translate due to the many local terms. If you are interested, feel free to contact me - at least I could provide you with the recipe!

Heute möchte ich euch etwas Besonderes vorstellen. Und zwar ist dies eine Spezialität meiner Heimatstadt: Die Mutschel.

Ich stamme aus Reutlingen, einer kleinen Großstadt in Baden-Württemberg. Es ist weder die schönste noch die aufregendste Stadt der Welt, aber ich habe immer gern dort gewohnt. Und sie hat nicht nur eine, sondern gleich drei traditionelle kulinarische Spezialitäten.

Zum einen gibt es den Kimmicher, ein Brötchen mit Kümmel. Da ich keinen Kümmel mag, ist mir diese Spezialität ziemlich egal ;). Die zweite ist der Schiedwecken, eine herzhafte Blätterteigpastete mit Kalbsfleisch. Diese wurde traditionell am Schiedstag serviert - dem letzten Tag der Lichtstube, in der man sich den Winter über abends zum Reden und Handarbeiten traf, um Holz und Kerzen zu sparen.

Und dann ist da noch die Mutschel. Woher genau das Gebäck und das Brauchtum darum stammt, ist nicht so ganz sicher, vermutlich hatte es seinen Ursprung irgendwann im 13. Jahrhundert. Jedenfalls ist es etwas absolut Einzigartiges!

Mutscheln gibt es eigentlich nur in der Woche vor und nach Heilig Dreikönig, also dem 6. Januar. Allerdings ist das wie mit den Schokonikoläusen inzwischen etwas aufgeweicht, und so gibt es sie inzwischen in Reutlingen in allen Bäckereien schon in der Vorweihnachtszeit zu kaufen. Ihren Starauftritt haben sie jedoch am Donnerstag nach Dreikönig - das ist nämlich der Mutscheltag. An diesem Tag treffen sich Freunde, Verwandte oder Vereine zum Mutscheln, was einfach nur heißt, dass den ganzen Abend über Würfelspiele gespielt werden. Dabei ist die Mutschel gleichzeitig Nahrung, Spielmittel und Gewinn - besonders große und schöne Mutscheln werden zum Beispiel als Hauptgewinn verlost. Gespielt werden euch vielleicht bekannte Spiele wie Kleine und Große Hausnummer und 7 frisst, aber auch spezielle Mutschelspiele wie Nackerts Luisle oder der Wächter bläst vom Turme.

Ich habe sehr viele und schöne Erinnerungen an Mutschelabende, meistens mit den Freunden meiner Eltern (ich war ein komisches Kind und fand die Freunde meiner Eltern meistens viel toller als meine Altersgenossen). Unvergesslich bleiben werden mir immer die berühmt-berüchtigten Vollkornmutscheln, die Holger immer für den Mutschelabend besorgte. Und die Freunde meiner Eltern mochten zwar der harte Kern der Reutlinger Öko-Szene sein, aber Vollkornmutscheln? Das ging selbst ihnen zu weit! Es wird mir immer unbegreiflich bleiben, warum Holger trotzdem Jahr für Jahr die Mutscheln besorgen durfte oder sie ihm nicht zumindest strengstens untersagt haben, Vollkornmutscheln zu kaufen ...

Jetzt lebe ich seit über zehn Jahren schon nicht mehr in Reutlingen, aber Mutscheln und den Mutschelabend vermisse ich jedes Jahr aufs Neue. Da bleibt nur: Selbst ist die Frau! Die Mutscheln wird es dieses Jahr beim Rollenspiel geben - das ist zwar kein Mutscheln, aber zumindest wird da auch gewürfelt ;).

12-1-13 026-horz

So, nach dieser sehr langen Vorrede ist hier endlich das Rezept:

Reutlinger Mutscheln

Zutaten:
1000 g Mehl
150 g Butter
500 ml Milch
10 g Zucker
15 g Salz
1 Eigelb
80 g Hefe

Zuerst 100 ml Milch erwärmen und darin die Hefe und den Zucker auflösen. Die Hefemischung mit etwas Mehl bestäuben und zugedeckt an einem warmen Ort 15 - 20 Minuten gehen lassen.

Das Mehl mit der Hefemischung, der restlichen Milch, Salz und Butter zu einem Teig verkneten. Sollte er noch zu feucht sein, nach Bedarf noch etwas Mehl hinzufügen. Er sollte sich leicht vom Schüsselboden lösen. Den Schüsselboden mit etwas Mehl bestäuben, den Teig wieder hineinlegen und zudecken. An einem warmen Ort wieder etwa eine Stunde gehen lassen.

Den Teig noch einmal kräftig durchkneten und für eine kleine Mutschel etwa ein faustgroßes Stück Teig abteilen. Zu einer Kugel formen und flach drücken, dabei in der Mitte einen kleinen Buckel formen. Den Rand der Scheibe achtmal einschneiden und die Zacken leicht auseinander ziehen (dabei etwas zurechtformen, damit sie schön rund werden). Aus einem kleinen Stück vom restlichen Teig eine Schlange rollen und als Kreis um den Buckel in der Mitte legen. So oft wiederholen, bis der Teig aufgebraucht ist.
Wenn man eine größere Mutschel formt, kann man auch den Kranz mit einem Zopf oder zwei verdrehten Teigschlangen machen und die Zacken ebenfalls mit Teigschlangen verzieren, als Brezeln, Schnecken, s-förmig usw.

Die fertigen Mutscheln noch einmal dreißig Minuten gehen lassen. Das Eigelb verschlagen und mit etwas Milch mischen (dann wird es nicht so dunkel - habe ich leider nicht gemacht), die Mutscheln damit bepinseln. Im vorgeheizten Ofen bei 200°C etwa 25 Minuten backen (je nach Größe der Mutscheln die Zeit etwas anpassen - größere brauchen logischerweise länger).

Herausholen, abkühlen lassen und genießen :o). Dazu gehört unbedingt Butter! Da der Teig recht neutral ist, kann man zu den Mutscheln meiner Meinung nach fast alles essen - ich esse sie gern mit Käse, aber auch mit Marmelade.

12-1-13 020-horz

Habt ihr schon einmal von dieser Tradition gehört, oder gibt es bei euch etwas Ähnliches? Wie gefällt sie euch :)?

19 Kommentare:

  1. Die sind ein wenig wie Lussekatter :)
    Die isst ma am 13. Dezember zum LuciaFest in Schweden.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Oh, die kannte ich noch nicht - klingt tatsächlich ähnlich.
      Danke, da habe ich wieder was gelernt ;).

      Löschen
  2. Ich kenn diese Tradition nicht, klingt aber spannend !
    Die Mutscheln - was ich auch nicht kannte - sehen sehr lecker aus, da rinnt mir gleich das Wasser im Mund zusammen !
    Danke für´s Teilen und für´s Rezept!

    Liebe Grüße
    Melanie

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Gern geschehen! Ab und zu überkommt mich doch ein bisschen Lokalpatriotismus, und es freut mich sehr, wenn das bei anderen auf Interesse stößt :).

      Liebe Grüße,
      Mareike

      Löschen
  3. Ich hab' bei dir schon mal davon gehört, meine ich mich dunkel zu erinnern, aber das war alles schon wieder fast völlig vergessen...
    Auf jeden Fall sehen die Mutscheln sehr lecker aus, so ein Hefeteig ist ja auch was Feines. :) Besonders schön finde ich, dass diese Tradition an dem Mutscheltag mit ganz vielen Spielen einhergeht, das wäre für mich als Kind ein Traum gewesen (find' mal als Einzelkind daheim jemanden, der mit dir was spielt...).

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Gut möglich, ich habe die schon mal gebacken und sie damals als Mini-Versionen mit ins Bento gepackt, wenn ich mich recht erinnere ^^.

      Haben deine Eltern etwa auch nicht mit dir gespielt? Das finde ich schade :(. Bei uns wurde immer viel gespielt, oft auch nur meine Eltern und ich (mein Bruder wollte oft nicht mitspielen, weil er ein furchtbar schlechter Verlierer war *augenroll*).

      Löschen
    2. Ja, kann sein, Mini-Version in der Bento-Box...

      Mein Vater hat überhaupt nicht mit mir gespielt und meine Mutter auch nur selten. Zum Glück hat mein Opa häufig mit mir gespielt, allerdings war ich auch ein schlechter Verlierer und wenn mein Opa dann einen Kniffel nach dem anderen hatte, bin ich auch mal ausgerastet und hab' ihm die Würfel an den Kopf geworfen... *pfeif*

      Löschen
  4. Mutschel klingt gut :) Wenn ich mal etwas geübt bin im Umgang mit Hefe (finde das iwie gar nicht so leicht XD), dann probiere ich das sicher mal aus :)

    Also in allen Rezepten aus dem Buch, das es zu dem Förmchen gab, bestand das "Grundrezept" aus ca. 35g Puderzucker, 1 Ei, ca. 50g Mehl angegeben. Das hab ich dann erstmal als Grundlage genommen und dann eben die anderen Zutaten dazugetan. Wenn der Teig zu dünn war, hab ich nochmal Mehl hinzugegeben.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Super, tausend Dank für die Tipps! Ich werde heute mal einen Versuch wagen :D.

      Und trau dich ruhig mal an die Mutscheln ran, das mit dem Hefeteig fand ich auch zuerst schwierig, aber es geht erstaunlich leicht ^^. Man kann vermutlich auch Trockenhefe nehmen, dann entfällt der Schritt mit dem Vorteig.

      Löschen
  5. Wow die sehen ja toll aus! Irgendwie wage ich aber zu bezweifeln, dass die bei mir auch so super aussehen würden :D Trotzdem, einen Versuch ist es wert, das Rezept speicher ich mir mal ab! :)
    lg Marie

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hi Marie, versuch es mal - es ist leichter, als es aussieht! Und selbst, wenn die Form nicht perfekt ist, werden sie sicher gut schmecken ;).

      Liebe Grüße,
      Mareike

      Löschen
  6. nomnom, das rezept habe ich mir direkt einmal aufgeschrieben!

    AntwortenLöschen
  7. So etwas kommt halt bei rum, wenn mir wieder alles zu langweilig wird. Da muss halt auch mal ein bisschen experimentiert werden. Deine Mutscheln sehen im Übrigen toll aus. Wünsche dir eine schöne Woche.

    AntwortenLöschen